Rechtliches
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Aktuelle Rechtslage in den einzelnen Bundesländern
Übersicht über das Bauordnungsrecht der Bundesländer
von Rechtsanwalt Dr. Dirk Legler und Rechtsanwalt Victor Görlich,
Rechtsanwälte Günther, Hamburg
Stand: April 2022
Kleinwindenergieanlagen gelten in Deutschland als so genannte bauliche Anlagen im Sinne der jeweiligen Landesbauordnungen (LBO), denn sie erfüllen die Definition dieses Begriffes, wonach bauliche Anlagen unmittelbar mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen darstellen. Grundsätzlich bedarf jede bauliche Anlage, die in Deutschland errichtet werden soll, einer Baugenehmigung. Nur Windenergieanlagen, die eine Gesamthöhe von mehr als 50 m haben – und daher rein baurechtlich auch gar nicht mehr als Kleinwindenergieanlagen gelten – bedürfen sogar einer noch komplexeren und deutlich aufwändigeren (und teureren) Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (vgl. Nr. 1.6 Anhang 1 der 4. BImSchV i. V. m. § 4 Abs. 1 BImSchG). Zuständig für diese Großanlagen sind dann freilich statt der Bauämter auch die sog. Umweltämter (bzw. die unteren Immissionsschutzämter). Alle baurechtlichen Fragen werden dann ebenso wie die naturschutzrechtlichen, denkmalschutzrechtlichen, etc. mit von diesen Umweltämtern in deren durchaus komplexen Verfahren geprüft und entschieden (so genannte Konzentrationswirkung der BImSchG-Genehmigung).
Bleibt man hingegen bei den Kleinwindenergieanlagen im Sinne des Baurechts (also bei den Windenergieanlagen mit einer maximalen Höhe von 50 m insgesamt), so kann das Verfahren deutlich einfacher und schneller durchgeführt werden. Aber auch da gibt es wiederum innerhalb dieser Bauantragsverfahren teils erhebliche Unterschiede in Art und Umfang des behördlichen Verfahrens und dem, was einem die Baubehörden abverlangen dürfen. Grund dafür ist, dass man drei verschiedene Verfahren bei der Kleinwindenergie unterscheidet:
- verfahrensfreie
- genehmigungsfreie und
- baugenehmigungspflichtige Verfahren.
Alle diese drei Verfahren haben teils erhebliche Unterschiede und sind daher auch vom Kosten- und Zeitaufwand sehr unterschiedlich. Es lohnt sich daher vor Baubeginn in jedem Fall zunächst einmal sehr genau zu untersuchen, welche dieser drei Varianten für die von Ihnen avisierte Kleinwindenergieanlage einschlägig ist. Exakt dies sei Ihnen daher im Folgenden kurz dargestellt. Wichtig ist es dabei auch zu berücksichtigen, dass das Baurecht in Deutschland so genanntes Landesrecht ist, d.h. dass jedes Bundesland sehr unterschiedliche Regelungen haben kann und oftmals auch hat. Hinzu kommt, dass Kleinwindenergieanlagen oftmals auch als so genannte Nebenanlagen eine Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren bekommen können oder unter bestimmten Voraussetzungen ganz von der Genehmigungspflicht befreit sein können, was wiederum in vielen Bundesländern von der Pflicht zur Durchführung bestimmter Untersuchungen befreit (so genannte genehmigungsfreie Verfahren für Nebenanlagen). Letztere sind im Folgenden nicht näher betrachtet, sollten in jedem Einzelfall aber mitgeprüft werden, wenn andernfalls keine Erleichterung des Verfahrensgangs erreicht werden kann.
Die folgende von Herrn Dr. Dirk Legler und Herrn Victor Görlich von der Rechtsanwaltskanzlei Günther aus Hamburg (www.rae-guenther.de) für den BVKW freundlicherweise erstellte Liste schafft für die generelle Prüfung der Verfahrensarten einen sehr guten Einstieg, zumal Herr Dr. Legler uns auch noch (immer dort, wo sie tatsächlich existieren) die verschiedenen Windenergieerlasse der Bundesländer sowie sonstige Handlungsanweisungen von Landesbehörden in diese im Dezember 2019 aktualisierte Übersicht mit aufgenommen hat.
Sie können auf diese Weise – je nach Lage des von Ihnen favorisierten Standortes – doch recht schnell einen ersten Überblick über die baurechtliche Rechtslage vor Ort sowie die möglichen „Fallstricke“ der von Ihnen geplanten Kleinwindenergieanlage bekommen.
Zusätzlich sollten Sie sich dringend vor Baubeginn immer bei den zuständigen Baubehörden und einem im Baurecht versierten Anwalt Ihres Vertrauens erkundigen, denn neben dem reinen Bauordnungsrecht spielen auch andere rechtliche Aspekte bei der Planung und Errichtung von Kleinwindanlagen oftmals eine sehr wichtige Rolle (wie namentlich z.B. die Frage, ob die Kleinwindenergieanlage in einem beplanten, so genannten Innenbereich oder aber im unbeplanten, so genannten Außenbereich nach Bauplanungsrecht (BauGB) gebaut werden soll). Oder auch, ob ein Flächennutzungsplan der Gemeinde besteht, der oftmals auch für die Kleinwindenergie relevante Regelungen zur geplante räumlichen Verteilung der Windenergienutzung im Gemeindegebiet enthält (von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann). Aber auch Aspekte des Natur- und Artenschutzes spielen eine immer wichtigere Rolle. Zu beachten ist letztendlich auch, dass selbst Vorhaben, die ansonsten keiner Anzeige oder behördlichen Zulassung einer Bau- oder sonstigen Behörde bedürfen, oftmals einen so genannten Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, so dass sie nach § 17 Abs. 3 BNatSchG einer Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Naturschutzbehörde bedürfen. Eine Verfahrens- oder Genehmigungsfreiheit nach Baurecht heißt damit oftmals noch lange nicht, dass man ganz ohne vorheriges behördliches Zulassungsverfahren auskommt, aber immerhin ist man von zahlreichen Vorgaben befreit.
Dies vorab, nun aber zu der bauordnungsrechtlichen Übersicht und einigen Erläuterungen dazu:
- die Liste wurde durch die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Günther, dort: Rechtsanwalt Dr. Dirk Legler, LL.M. sowie Rechtsanwalt Victor Görlich, erstellt; RA Dr. Legler ist zugleich Juristischer Beirat des BVKW; er steht bei Nachfrage gern zu Ihrer Verfügung
- alle Angaben erfolgen ohne Gewähr und ersetzen keine Rechtsberatung des konkreten Falles. Sie geben den Stand vom 24.03.2022 wieder. Auch wird für die in der Liste enthaltenen Links keine Haftung übernommen,
vielmehr gilt: in allen Fällen sind zunächst einmal immer die Auffassungen der örtlichen Behörden maßgebend, gegen die man freilich im Zweifelsfall auch immer Rechtsrat und ggf. auch im gerichtlichen oder zuvor verwaltungsbehördlichen Widerspruchsverfahren vorgehen kann; was man immer sorgsam abwägen sollte.
Bundesland | Verfahrensfreistellung | Genehmigungsfreistellung |
Windenergieerlass, o.ä.
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Baden-Württemberg |
• nach § 50 Abs.1 LBO sind die Anlagen und Einrichtungen, die im Anhang zu dieser Norm aufgeführt sind, verfahrensfrei • das sind nach Anhang Nr. 3 d zu § 50 Abs. 1 LBO u.a. auch: Kleinwindenergieanlagen bis 10 m Nabenhöhe |
Das Regierungspräsidium Tübingen hat am 18.02.2019 ein zentrales „Themenportal Windenergie“ freigeschaltet. Dieses Portal enthält die beim Ausbau der Windkraft im Land zu beachtenden Vorschriften, Hinweise und sonstige nützliche Hilfestellungen. Es ersetzt den „Windenergieerlass“ aus dem Jahr 2012, der bestimmungsgemäß am 9. Mai 2019 außer Kraft getreten ist; gemäß dem informatorischen Schreiben des UM-BW vom 18.02.2019 haben die Inhalte dieses Windenergieerlasses mit seinem Außerkrafttreten nicht an Bedeutung verloren, „sondern können weiterhin als Orientierungsgrundlage in der Praxis angewandt werden, soweit sie nicht durch neue Rechtsvorschriften oder gerichtliche Entscheidungen überholt sind“. vgl.: gewerbeaufsicht.baden-wuerttemberg.de/ www.lubw.baden-wuerttemberg.de/ |
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Bayern |
• nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3b BayBO sind u.a. folgende Anlagen verfahrensfrei in Bayern: • Kleinwindenergieanlagen bis 10 m Gesamthöhe (sog. „freie Höhe“) |
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Berlin |
• in Berlin sind gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3 c) BauOBln verfahrensfrei: • Windenergieanlagen bis zu 10 Meter Höhe (gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche) und einem Rotordurchmesser bis zu 3 Meter außer in reinen Wohngebieten |
Es gibt keinen Windenergieerlass | |
Brandenburg | nein |
In Brandenburg sind gem. § 61 Abs. 1 Nr. 3 c) BbgBO genehmigungsfrei: Windenergieanlagen bis zu 10 Meter Höhe gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu 3 Meter außer in reinen Wohngebieten |
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Bremen |
§ 61 Abs. 1 Nr. 3 lit c BremLBO: Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu drei Metern in Gewerbe- und Industriegebieten sowie im Außenbereich, wenn sie einem nach § 35 Absatz 1 des Baugesetzbuches zulässigen Vorhaben dienen; |
Es gibt keinen Windenergieerlass | |
Hamburg |
§ 60 i.V.m. Anlage 2 I Nr. 2a.3 HBauO: Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu drei Metern außer in reinen Wohngebieten sowie Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe bis zu 15 m über Geländeoberfläche in festgesetzten Gewerbe- und Industriegebieten und im Hafennutzungsgebiet; |
./. | |
Hessen |
§ 63 HBO i.V.m. Anlage I 3.11 Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu 3 m, außer in reinen Wohngebieten |
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Mecklenburg-Vorpommern |
§ 61 Abs. 1 Nr. 3 c LBO M-V Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu 3 m, außer in reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten und in Mischgebieten |
Windenergieerlass ist noch nicht erteilt worden: |
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Niedersachsen |
§ 60 Abs. 1 NBauO i.V.m. Anhang I Nr. 2.5: Windenergieanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten, wenn die Baugebiete durch Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB festgesetzt sind, und im Außenbereich a) auf baulichen Anlagen bis 2 m Gesamthöhe der Windenergieanlage gemessen ab dem Schnittpunkt der Windenergieanlage mit der Außenfläche der baulichen Anlage und |
www.stk.niedersachsen.de (PDF) | |
Nordrhein-Westfalen |
§ 62 Abs. 1 Nr. 3 c) BauO NRW (2018) Kleinwindanlagen bis zu 10 m Anlagengesamthöhe sowie die damit verbundene Änderung der Nutzung oder der äußeren Gestalt des Gebäudes, außer in reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten sowie Mischgebieten |
recht.nrw.de/ | |
Rheinland-Pfalz |
§ 62 Abs. 1 Nr. 4 f) LBauO RhPf Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 10 m, auf Dächern bis zu einer Gesamthöhe von 2 m, in Gewerbe- und Industriegebieten sowie im Außenbereich, wenn sie einem nach § 35 Abs. 1 BauGB zulässigen Vorhaben dienen, einschließlich der damit verbundenen Nutzungsänderungen baulicher Anlagen; es gelten die Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 4 und 5; ausgenommen sind Windenergieanlagen auf oder an Kulturdenkmälern sowie in der Umgebung von Kultur- und Naturdenkmälern Für Anlagen bis 10 m Gesamthöhe, die davon nicht erfasst sind, gilt § 66 Abs. 3 S. 4 u. 5: Für Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 10 m, auf Dächern bis zu einer Gesamthöhe von 2 m, die nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f genehmigungsfrei sind, wird ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren ohne die nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen Erklärungen durchgeführt. |
Ein Windenergieerlass ist derzeit geplant (März 2022) Bis dato weiterhin nur ein: „Rundschreiben Windenergie“ |
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Saarland |
§ 61 Abs. 1 Nr. 3 c) LBO Saarland (SL) Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom |
Es gibt keinen Windenergieerlass |
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Sachsen |
§ 61 Abs. 1 Nr. 3 c SächsBauO Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche, und einem Rotordurchmesser bis 3 m, außer in reinen Wohngebieten |
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Sachsen-Anhalt |
§ 60 I Nr. 3 b) BauO LSA Windkraftanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 10 m und einem Rotordurchmesser bis zu 3 m in Gewerbe- und Industriegebieten, wobei sich die Gesamthöhe nach § 6 Abs. 8 Satz 3 bestimmt (danach errechnet sich die größte Höhe bei Anlagen mit Horizontalachse aus der Höhe der Rotorachse über der Geländeoberfläche in der geometrischen Mitte des Mastes zuzüglich des Rotorradius) |
Es gibt keinen Windenergieerlass |
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Schleswig-Holstein |
§ 63 Abs. 1 Nr. 3 c) LBO SH Windenergieanlagen bis zu 10m Höhe gemessen von der Geländeober-fläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu 3m in Kleinsiedlungs-, Kern-, Gewerbe-und Industriegebieten sowie in vergleichbaren Sondergebieten und im Außen-bereich, soweit es sich nicht um geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des §20 Absatz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes oder um Natura 2000-Gebiete im Sinne von §7 Absatz 1 Nummer 8 des Bundesnaturschutzgesetzes handelt |
Es gibt keinen Windenergieerlass |
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Thüringen |
§ 60 Abs. 1 Nr. 3c) ThürBO Windenergieanlagen bis zu 10 m Höhe, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche und einem Rotordurchmesser bis zu 3 m, außer in reinen Wohngebieten und im Außenbereich, soweit es sich um geschützte Teile von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) in der jeweils geltenden Fassung oder des § 16 Abs. 2 des Thüringer Naturschutzgesetzes in der Fassung vom 30. August 2006 (GVBl. S. 421) in der jeweils geltenden Fassung handelt |